Empatische Systeme

In dem lesenswerten Artikel, Dawn of the emotional Machine, differenziert Jeff Nolan zwischen emotionalen und emphatischen Maschinen. Bringt uns diese Überlegung zu den Diskussionen zurück, die einst zur Gründung der ästhetischen Gesellschaft führten; so ist sie nun, einige Jahre später, aus der Sphäre des Denkbaren schon fast in die Niederungen konkreter Alltagserfahrungen diffundiert.

In beschleunigten Zeiten muss uns dies in vielerlei Hinsicht zu denken geben, stellt es doch sehr fundamentale Gründe, Gewohnheiten und Rituale unserer Gesellschaft in Frage mit denen wir soziale Standards über jahrzehntausende begründet und zementiert haben.

Denn wenn die Qualität des Geborgenheit-, Schutz- und Gemeinschaftsgefühls, von sexuellem bis zu intellektuellem Genuss vermittelt durch Maschinen ebenfalls exponentiellen Steigerungen unterliegt, ist es vielleicht egal, ob diese Maschinen bewusst oder gar selbstbewusst sind. Dann nehmen Sie uns nicht nur die Jobs, sondern auch mehr und mehr soziale Positionen.

Wenn wir nicht selbst zu ihnen werden, werden wir Symbionten unser eigenen Gesellschaft sein; ihr Grund, aber nicht ihr Antrieb; ihre Knoten, aber nicht ihre Kanten. Dann könnte sich Sein vom Werden abkoppeln.

Der Ort, die Zeit

Messen, Kongresse, Konzerte, Parteitage, Events (…) haben implizit einen neuen Anspruch übergestülpt bekommen. Wer Vernetzung und Kommunikationstechnologie ernst nimmt, sollte im Zeitalter des Internets einen guten Grund haben, jemanden vor Ort zu bitten. Der Transfer von Informationen, oder performative Redundanz hatten sicherlich in vergangenen Epochen ihre gesunde Berechtigung, sich in lokalen Veranstaltungen zu manifestieren. 2010 jedoch sind sie schlicht eine Zumutung. Oder?

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Session 7: Epiphifzen und digitale Schwerkraft

Können die gesellschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen des technologischen Fortschritts so hochfrequent sein, dass die Dauer einer Legislaturperiode nach unten korrigiert werden muss? Ist ein Mandat an die verfügbaren und kommunizierten Mittel des Mandatierungszeitpunktes gebunden?

Nachdem Siggi seiner Aufregung über Rorty Luft gemacht hat, kommen wir auf den obigen Trichter (siehe zu dem Trichter auch bei Siggi: “Maßstab“) nach dem Durchkämmen des Thrashold ;-), den Facebook mit seinem globalen iLike-IT Button in die Welt kippt. Differenzierung und Resilienz kann dann nicht mehr durch das Verbindungherstellen an sich erreicht werden; der Druck, auch binnendifferenziert seine Qualitäten auf der Reihe zu haben, also die Hausaufgaben zu machen, steigt in der Folge.

Zu den Hausaufgaben 2010 gehört auch die Auseinandersetzung mit den faszinierenden Entwicklungen der Robotik, die ich mit einem eigenen Artikel bereits am Wochenende beglückte: Präzision und Unsichtbarkeit.

Das Durchkämmen trägt uns noch ein kleines wenig weiter. Jay und ich entwickeln den Gedanken einer bremsenden Wirkung, die durch die zunehmende Digitalisierung der Welt verursacht werden könnte. Die Fluchtgeschwindigkeit vom Ist zu Utopia könnte in einer digitaleren Welt höher sein. Hier wirft dann auch Siggi noch mal völlig zurecht ein, dass “Digitalisierung” ein tendenziell eher unterschätztes Szenario ist. Rechercheanstöße mögen hier die Begriffe “Bekenstein Grenze” und “Computronium” sein.

Also, eine bunte Session, wieder mal jenseits der Stundengrenze. Aber noch leicht unterhalb der zeitlichen Ausdehnung der 6. Session.

Session 6: Die Kunst des Sehens

Tim und Jay haben mir aus Zeitmangel den Text zur 6. Session aufgebrummt. Wie es das philosophische Hamsterrad so mit sich bringt, ergab sich gerade vorhin eine treffliche, thematische Synchronizität: die morgige Ausgabe des Nachtstudios auf ZDF, insbesondere ab Minute 45 in den Äusserungen von Prof. Kruse.

Während ich in unserem Gespräch mal wieder Finetti mit Dem Sehen in der Mathematik in die Runde warf, um den – wie Kruse meint nachträglich als intuitiv gelabelten – Moment des Erkennens des Neuen zu verorten, weist Kruse auf den durch Unmengen an konsumierter Information herbeigeführten Umschlag in ein Muster hin. An dieser Hürde sind also Schirrmacher und alle Opfer unseres Schulsystems, das vom Detail zum Ganzen drillt zerschellt. 😉 No Frust, no Muster.

Wer – um mal wieder mit Teilhard de Chardin zu sprechen – “wirklich klar sehen will” muss “das tiefe Wollen” an den Puzzletisch mitbringen. Anderfalls enden wir im Nölen übers Detail oder bei ACTA.

Vom kulturellen Wirkungsquantum

Fortschritt
Wie vermisst man den Fortschritt? Und wie tut man dies, ohne sich von ideologischen Hürden ausbremsen zu lassen? Schon häufiger sind wir im Wavetank und in unseren Sessions (1, 2, 3, 4) über diese Aufgabe gestolpert. Die hier geteilte Grundannahme zur Identifizierung des Fortschritts ist wohl, Reproduzierendes und Reproduziertes auszuschließen; und zwar im Phänotypischen wie auch im Genotypischen; auf jeden Fall aber im Performativen.

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Die Gesellschaft als offenes Kunstwerk?

Die vierte Session der ästhetischen Gesellschaft beginnt nach einer kurzen Warmlauf-Phase mit einem Diskurs der auf die Frage hinausläuft, ob Kulturgüter jemandem gehören können (oder jemandem gehören können sollten). Könnten die kulturellen Artefakte, die durch Open-Access zu den Genen, Memen, Temen unserer Zeit entstehen eventuell mehr wert sein, als der Nutzen einer monopol- oder oligopolistische Marktaufteilung?

Was nicht bedeuten soll, dass wir kein Geld verdienen wollen… Es gibt eben sehr wohl konkrete und durchdachte Vorschläge, wie ein offener Umgang mit Daten, Informationen, Wissen, Memen, Geschichten (…) mit einer wachsenden und prosperierenden Gesellschaft in Einklang zu bringen ist. Ja, sogar zu einer Beschleunigung der Beschleunigung beitragen kann.