Bei ARTE wird ein Versuch über den Fortschritt gesendet. Soweit man von Senden noch sprechen kann. Wir nutzen dies hier als Hinweis auf das K-Camp, bei dem es um eben dieses Spannungsverhältnis gehen soll: Kunst, Technologie und Gesellschaft.
Nach dem J. vor einigen Jahren das Thema aus einer sprachanalytischen und politischen Sicht auseinander klamüsert hat, habe ich aus aktuellem Anlass eine sehr viel knappere, eher medientheoretische Zusammenfassung verfasst, die, der Vollständigkeit halber, hier wiedergegeben sei.
Ist das Internet ein Raum? [… ] wir sind uns einig, dass die “Kanal-Metapher” untauglich ist; doch ploppt in mehreren (großen) deutschen Medienhäusern nun plötzlich die Raum-Metapher wieder auf. Diese greift auf der einen Seite zu kurz und ist auf der anderen Seite – die dann wieder politisch ist – zudem gefährlich… Am Ende wird es dann utopisch.
Siggi war zu Gast in meinem Workshop an der MD.H. Aufgabe: Denkübung für Gamedesign-, Modedesign- und Management-Studenten zum Umgang mit der Zukunft. Ergebnis: Mission Accomplished, ohne Verletzte.
In der drölften Session der Ästhetischen Gesellschaft steht die Resilienz von Netzwerken gegen deren Fluidität in Frage. Ob es wohl eine übergeordnete, gar memetische Struktur gibt, die durch Netzwerke genährt wird? Die Last Poets einer residenten zivilisatorischen Charakteristik dürften in diesem Fall von jeder allgemein-agilen Kommunikationsästhetik in Angst und Schrecken versetzt werden. Ausweg? Beschleunigung! Aber seht selbst…
Die “ästhetische Zahl” definiert die Anzahl an Technologien, die eine Gesellschaft in der Zeit integrieren kann, die von ihr als kleinste zusammenhängende Einheit kollektiv wahrgenommen wird: Eine Micro-Epoche.
In diesem Sinne gibt es zwei wesentliche Bewertungsfaktoren: 1. ist eine so definierte Micro-Epoche in Realzeit länger oder kürzer als die vorhergehende und 2. ob die ästhetische Zahl von einer Micro-Epoche zur nächsten zu- oder abnimmt. Von Ektropie sollte nur gesprochen werden, wenn 1. kleiner und 2. größer wird.
Unter Berücksichtigung von Evolution und Systemtheorie wird es schwierig zu definieren, was Transhumanismus eigentlich ist. Wenn es eine radikale Form der Evolution ist und systemischen Regeln folgt, gibt es ihn nicht. (Es sei denn, wir definieren den Humanismus als den Transprimatismus.) Sollte der Mensch sich seiner Natur jedoch entledigen können und sollte der Transhumanismus nicht nur eine Transformation der Gestalt sondern auch seiner Kultur sein, dann gibt es ihn doch…
In beiden Fällen ist es jedoch wichtig, sich gelegentlich darüber zu unterhalten:
Kunst ist auch manchmal eines: Gesellschaftsweitwurf. Eine trajektorische Disziplin, selbige man Stefan Zöllners durchaus zuschreiben kann: Obwohl sie machtlos wirkt, da ihr offener Ideenraum dem Betrachter weder Rezeptions- noch Antwortebene vorzuschreiben scheint, kann sie dennoch qua ihrer utopischen Hellsicht den wachen Teilnehmer signifikant beschleunigen.
Vor ca. einem Jahr waren Siggi und ich zu Gast in Stefans Atelier vor den Toren Düsseldorfs. Dabei entstand der folgende kleine Clip (aus der Hüfte geschossen), den wir anlässlich der AION-Vernisage in Köln gerade wiedergefunden haben.
The Siggi’s Speech zur AION Ausstellung wurde ebenfalls videofiziert:
Sollte sich nicht eine andere Lebenskultur entwickeln, wenn der Alltag gegen die Thesen und Theorien von Luhmann und seinen Freunden reflektiert wird? Unsere These ist, dass dies passiert. Nur mit systemischer Niedertracht: Nicht über den Bildungsweg. Nicht über die Curricula der Schulen und Universitäten. Sie tun es einfach. “Es” manifestiert sich in den Ritualen und Gesten, in den kommunikativen Prozessen rund um Mittel, Orte und Phänomene (nicht Medien), wie Facebook und Twitter. “Es” manifestieren sich in der Kommunikationskultur des Jahres 2010, welche schon zum Jahre 1980 nicht mehr rückwärtskompatibel ist. Es manifestiert sich in der globalen Timeline.
Der Bundespräsident trug heute, zur Session-Aufzeichnung von gestern ebenfalls bei. Der WDR berichtete:
“Bundespräsident Wulff will in seiner Amtszeit verstärkt neue Medien wie das Internet nutzen, um mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten.
Wulff sagte bei einer Diskussion mit Informatikstudenten in Potsdam, mit modernen Kommunikationsmitteln ließen sich der gegenseitige Austausch und die Zukunft der Demokratie möglicherweise ein wenig voranbringen. Der Bundespräsident beklagte, dass sich die Bürger von den traditionellen demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten immer mehr abwendeten und am klassischen Meinungsbildungsprozess so nicht mehr teilnehmen wollten. Dies und die wachsende Kritik an den Politikern gefährde die Demokratie ernsthafter als dies im öffentlichen Raum diskutiert werde.”
Drei einfache Beispiele, die die These erlauben, dass ein Teil der Gesellschaft sich auf systemischer Ebene abgekoppelt hat. Eine Randgruppe, zu der der Bundespräsident und altmodische Verlage gehören? Vielleicht. Jedenfalls ein starkes Indiz dafür, wie sozial Technologie ist.
Diese Schlachtfelder und ihre Überflüssigkeit offenbaren jedoch, wie sehr uns wirkliche Utopien fehlen.
Im Laufe diesen Sommers; auf Siggi’s Dachterrasse trafen wir uns, Luhmann und die Komplexität. Die replikativen Bits weilten einige Wochen auf einer #SmartCard, was zu spannenden visuellen und akkustischen Reizen führt. MTV wäre in den 80gern sicher stolz darauf gewesen; wir verweisen derweil einfach darauf, dass es eigentlich auch egal ist.
Die Episode schließt – auch wenn uns dies erst später auffiel – an meinen Post zur Dekohärenz sozialer Systeme an. Ansonsten: Macht, Ungleichverteilung, Restauration und die Borg. Siggi verspricht gerade ein ausführliches Addendum. Morgen.
Leider überlagert die oftmals leidige (wenn auch notwendige) Mediendebatte andere Themen oder nimmt sich im öffentlichen Diskurs zu viel Raum innerhalb eines Themas. So auch im Kontext der “Digitalisierung”. Unweigerlich zwingt die alltägliche Erfahrung, hier an Copyrights, das papierlose Büro und den Überlebensk(r)ampf von allen möglichen Totes-Holz-Produkten oder die Piratenpartei zu denken.
Dabei geht es hier um Alles. Ja. Um Alles. Digitalisierung ist Utopie und Dystopie zu gleich. Sie wird uns alles nehmen und alles geben. Sie bedarf dringend einer intellektuellen Debatte und einer öffentlichen Reflexion. Dabei wird an manchen Stellen auf Terra schon lange an Produkten gearbeitet, die StarTrek und H.G. Wells müde aussehen lassen.
Einen kleinen Einblick in die Digitalisierung des Lebens selbst gewährte uns Craig Venter vor wenigen Tagen:
Die Digitalisierung der Prozesse der Erschaffung von Leben, im diesem Kontext mit dem Schlagwort der “synthetischen Biologie” oder dem “Bio-Assembling” bezeichnet ist keine ferne Vision. Sicher ist die Forschung noch lange nicht fertig und bis zu einer industriellen Fertigung werden noch einige Jahre vergehen… Moment… ! Braucht es bei einem klaren Durchdenken der Kontexte Digitalisierung und Bio-Assembling eine industrielle Fertigung? Wohl eher nicht. Im Massenmarkt werden wir Bio-Tamagotchis trotzdem noch nicht morgen haben.
Gentechnik auf Steroiden – der Umgang mit der DNA wie mit einer Programmiersprache zur Kreation ganz gezielter Lebensformen die ganz klar definierten Zwecken dienen sollen, ist ein Spielfeld unvermessener und ungeahnter Dimension. Charles Stross hat mit seinem Buch Accelerando einige gute Ideen geliefert.
Richtig spannend wird’s, wenn wir mehrere Visionen kreuzen: Mediale Kollaboration und Digitalisierung von “Allem”. Tools wie Wave lassen uns am Saum dieses Geistes schnuppern, das Plugin, welches die gemeinsame Modifikationen einer DNA erlaubt ist leicht zu schreiben… Der wahre Spaß liegt noch vor uns.